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Beschlussvorschlag
Begründung
Herrmann Julius Meyer war ein erfolgreicher Leipziger Verleger (u.a. Meyers` Konversationslexxikon) und ein großzügiger, visionärer Pionier des sozialen Wohnungsbaues in einer Zeit, die für die ärmeren Bevölkerungsschichten von großer Wohnungsnot geprägt war. Vor diesem Hintergrund gründete Meyer 1888 den „Verein für Erbauung billiger Wohnungen“ und stattete diesen aus seinem Vermögen mit einem Startkapital von 2 Mio. Reichsmark aus, eine für die damalige Zeit immense Summe. Der Verein wurde 1900 in die gleichnamige Stiftung umgewandelt. Mit diesem Startkapital wurden ab 1888 schrittweise die vier Wohnanlagen in Kleinzschocher, Lindenau, Reudnitz und Eutritzsch durch Max Pommer als Hausarchitekt der Stiftung errichtet. Diese Wohnanlagen vereinen in sich hohe architektektonische Qualität, ein hochwertiges Wohnumfeld, das seiner Zeit weit voraus war, und ein günstiges, für breite Bevölkerungsschichten erschwingliches Mietniveau. Damals wurden die Mieten so kalkuliert, dass sie 15% eines üblichen Familieneinkommens nicht überschritten (heute reden wir über Belastungsgrenzen von 30%). Derzeit liegt das Nettomietniveau zwischen 4,20 und 8,00 Euro.
Dieses Mietniveau war die Grundidee der Stiftung von Herrmann Julius Meyer und war nur deshalb möglich, weil Max Pommer konsequent alle Potenziale zur Baukostenreduzierung ausschöpfte. Dies begann mit den Mengenvorteilen, die eine Errichtung als Gesamtensemble mit jeweils mehreren hundert Einzelwohnungen gegenüber einer klassischen Einzelhausplanung ermöglichte, und ging bis zur Verwendung genormter Bauteile und standardisierter Grundrisse.
Seiner Zeit weit voraus waren die großzügigen begrünten Innenhöfe, die eine hohe Erholungsqualität bieten und u.a. in heißen Sommern zu einem Kühlungseffekt führen. Insofern sind die Meyer`schen Häuser gut für den Klimawandel gerüstet. Dabei ist nicht zu vergessen, dass um die vorletzte Jahrhundertwende preisgünstige Arbeiterwohnungen oft nur in engen, dunklen und verbauten Hinterhöfen verfügbar waren. Diesen wenig menschenfreundlichen Wohnverhältnissen stellten Meyer und Pommer eine fortschrittliche, sozialreformerische Alternative entgegen.
Die Stadt Leipzig vergibt seit vielen Jahren den allgemeinen Architekturpreis und den Hieronymus-Lotter-Preis für besondere denkmalpflegerische Leistungen. Da das Thema kostengünstiger Wohnungsbau auch in Leipzig einen immer höheren Stellenwert einnimmt, wäre ein dritter städtischer Preis speziell zu diesem Thema sinnvoll und zielführend.
Beide bestehenden Preise werden in der Öffentlichkeit als Qualitätssiegel anerkannt und von den Gewinnern mit Stolz präsentiert. Die gleiche Wirkung dürfte auch ein „Herrmann-Julius-Preis für kostengünstigen und qualitätsvollen Wohnungsbau“ entfalten. Wir plädieren dafür, in die Erarbeitung des Preiskonzeptes die Stiftung Meyer`sche Häuser einzubeziehen. Als weiteren Partner sehen wir die Leipziger Wohnungsgenossenschaften mit ihrem der Stiftung durchaus ähnlichen sozialen Geschäftsmodell.
Neben der Förderung kostengünstigen Bauens geht es uns aber auch um die grundsätzliche Idee der philantropischen Stiftung. Die erfolgreiche Entwicklung der Meyer`schen Häuser war nur möglich, weil Hermann Julius Meyer das Startkapital von 2 Mio. Reichsmark stiftete.
Wir sehen angesichts dieses historischen Beispiels ein großes, bisher wenig beachtetes Potenzial, um privates Kapital für Wohnungsbau ohne Renditezwänge zu aktivieren. In Leipzig sind bereits eine Vielzahl von Stiftungen aktiv, beginnend mit der LEIPZIGSTIFTUNG, die soziale, kulturelle und andere gemeinnützige Zwecke unterstützen. Eine den Meyer`schen Häusern vergleichbare Wohnungsbaustiftung ist uns jedoch nicht bekannt. Von daher sollte es hier ein Potenzial geben, das mit Öffentlichkeitsarbeit und gezielter Ansprache potenzieller Stifter gehoben werden könnte.
Ein denkbarer Weg, um dieses Anliegen einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, wäre ein Antrag auf Aufnahme der vier Wohnlagen Meyer`sche Häuser in das UNESCO-Weltkulturerbe.
Mit ihrer architektonischen Qualität und dem sozialreformerischen Ansatz hätte sie diese Würdigung verdient. Ein solcher Antrag hätte aus unserer Sicht auch realistische Erfolgschancen: Im Jahr 2008 wurden gleich sechs Berliner Wohnsiedlungen der 20er-Jahre-Bauhausmoderne in die Welterbeliste aufgenommen (darunter z.B. die „Hufeisensiedlung“ in Neukölln-Britz). Unsere Meyer`schen Häuser können durchaus als Vorläufer dieses sozialreformerischen Ansatzes angesehen werden.
Quelle: „Wachsende Stadt- Wohnen und Leben in Leipzig 2020“ art.media Verlag Leipzig
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